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Kapitel S – Auch ein Schultag hat seine Norm 

6:00 Zeit zum Aufstehen. Das Erste, was ich jeden Morgen vernehme, ist ein unüberhörbares Knirschen, das nur von meinem, um Hilfe krächzendem, Bett kommen kann und ein raumdurchschallendes... 

Tetra: “AUF-STEEEEEH-EEEN!! AUF-STEEEEEH-EEEN!!” 

Während ich morgens langsam versuche, mich aus den Federn zu quälen, nimmt mir meine kleine Schwester jegliche Hoffnung auf ein paar zusätzliche Minütchen Schlaf, indem sie ohne Rücksicht auf den alten Lattenrost meines Bettes freudig herumhopst. 

Tetra: “Aufstehen, Schlafmütze! Du weißt die Schule wartet nicht auf dich! Oder willst du etwa zu spät kommen?!”, ruft sie für die Uhrzeit schon viel zu enthusiastisch. 

Ja, und ein wieder frage ich mich mal, warum sie mich denn nicht normal wecken kann. 

 

Tetra: “Jetzt komm endlich, hehe... Soo-oonst sprin-geee iiich weiii-ter au-uuf diiir heee-rum..." 

Schon am frühsten Morgen scheut sie wie immer keine Ruh und wird nach den wenigsten Sprüngen bereits aufgebracht. So muss es nun kommen, dass mein Körper versucht auf die Stimmung im Raum zu reagieren und anfängt sich zu regen. 

Verzweifelt gebe ich ihm schlussendlich nach und beginne mein Bestes dem zeitigen Enthusiasmus zu entkommen, indem ich vorsichtig meinen täglichen Rachefeldzug vorbereite. 

Um heute meinen lebendigen Wecker ruhigzustellen, bewege ich unauffällig meinen rechten Arm unter der Decke hervor und greife nach meinen Pantoffeln, die am gestrigen Tage in Reichweite am Rande des Bettes gelegt wurden. Zum Glück hatte das Ziel die vorsichtige Anschaffung der Munition nicht bemerkt, sodass ich nun ungehindert feuern kann. 

Wenn immer ich mir schon als kleiner Junge solch einen Plan ausgeklügelt habe, gab ich ihm immer einen Projektnamen. Den heutigen nannte ich Projekt: Finis Gallus2 

 

“Arrgh... Warum musst du auch immer so laut sein!? Nimm das, du Nervensäge!”, schrei ich kampflustig mit dem nächsten Schlappen schon wurfbereit. 

Tetra: “Ha... und Haaa!” 

Aber natürlich wehrt sie wie eh und je meine beiden ausgeklügelten Angriffe mit Leichtigkeit ab. 

“Ach, komm schon...” 

 

Tetra: “Pah, versuchst du es überhaupt noch richtig?! Los, zieh dich endlich an! Ich habe keine Lust mehr auf deine erbärmlichen Spielchen!”, murrt sie nun richtig nörgelnd, während sie ihren Zeigefinger drohend auf meine Nase setzt. 

Nicht lang und ein hämisches Grinsen macht sich in ihrem Gesicht breit. 

Tetra: “Hehe... Sonst sehe ich mich wohl heute endlich dazu gezwungen dein Bett ganz zu zerspringen...” 

“Sch-Schon gut... Ich gebe ja schon auf...”, entgegne ich endlich geschlagen und vor allem noch voll verschlafen. 

Tetra: “Hihihi... Und ein weiterer Sieg für das kleine Mädchen...” 

 

Als Nächstes auf meiner täglichen Morgenroutine steht das Ankleiden. Natürlich zieh ich mir mein typisches Outfit für den Tag an, was aus einer etwas engliegenden Jeanshose und meinem Lieblingsshirt besteht. 

Da es draußen schon kälter wird, nehme ich mir meinen wärmsten Pullover aus dem Schrank, den ich einst von meiner mittlerweile verstorbenen Großmutter bekommen habe und zieh ihn über meine von Neidern bezeichnete Eichelhutfrisur. Im Spiegel mache ich einen letzten Check... 

Jetzt erst bemerkte ich wieder die drei schwarz markanten Streifen, die der Pullover besaß. Jeder der Streifen läuft in eine andere Richtung, aber in der Mitte kommen sie kurz zusammen. Das Symbol hatte irgendeine kitschige Bedeutung, die ich aber mit der Zeit erfolgreich verdrängt habe. 

(“Kann ja nur schief gehen...”), denke ich mir und verlasse mein Zimmer. 

 

Weiter geht’s mit Frühstück. Eine Schale Müsli mit etwas zu viel Milch machen Tetras und meine wichtigste Mahlzeit am Tag aus. Während ich fünf Minuten brauche, diese Delikatesse aus Haferflocken regelrecht zu verschlingen, nimmt sich meine Schwester ihre Zeit und verbringt eine gute halbe Stunde am Esstisch. 

Nein, sie ist nicht einer dieser Genießer, die stundenlang auf ihrem Essen wiederkäuen. Sie vergisst einfach weiter zu essen. Ständig lässt sie sich ablenken von irgendetwas und verschwindet in ihre eigene Welt, bis sie ihre gesamte Zeit wo ganz anders verbringt. 

Würde sie nicht so wach neben mir, dem Dauerschläfer aussehen, könne man glatt glauben, dass sie noch träumt. 

 

6:50 Aufbruch zur Schule! Mit meinem 2-ME3 Schulranzen auf dem Rücken treffe ich auf dem Weg zum Bus meinen allerbesten Freund, den ich mittlerweile jetzt bereits seit fast zehn Jahren kenne. Mit ihm teile ich so viele schöne Erinnerungen, dass es unmöglich wäre, sie alle aufzulisten. 

Er wohnt mit seiner Familie, schon so lang ich zurückdenken kann, im selben Haus zwei Etagen unter uns. Und daher kommt es, dass wir uns jeden Morgen im Treppenhaus über den Weg laufen, wenn er wie immer mit einem Fuß auf einer der zwei identisch aussehenden Fußmatten steht, die jeweils den Eingang unserer beiden Wohnungen kürt. 

Doch außer einem munteren “Hi” bringen er und ich so früh am Morgen jedoch nichts über die Lippen und so schlendern wir gemeinsam stumm in Richtung Haltestelle. 

 

7:00 Angekommen ist der Einstieg in den Bus morgens immer sehr schwierig, da dieser schon bis aufs Äußerste mit Schülern gefüllt ist. An manchen Tagen ist er sogar so voll, dass man dicht neben seinem Nächsten kuscheln muss, sodass gerade ausreichend Platz für einen selbst ist, um noch genügend Luft zu bekommen. Eine wahre Seltenheit ist es also, wenn wir dann doch mal einen Sitzplatz erlangen können. 

Trotzdem zwängen sich an der nächsten Haltestelle noch Menschen rein. Wie beispielsweise unser stets anwesender Fahrbegleiter Markus. Zu uns vorgedrungen begrüßt er uns jeden Morgen genauso... 

Markus: “Hi, Alex und Alex...” 

Ja, mein bester Freund hat nicht nur zufälligerweise die gleiche Fußmatte vor der Haustür, sondern auch denselben Namen. Ziemlich verwirrend, was? Wie jeden Morgen begrüßen wir Markus freundlich verschlafen zurück. 

 

7:50 Nach der kurzen Busfahrt steigen wir in einen Zug, der uns schlussendlich zur Schule bringt. Sobald wir diese dann erreicht haben, beginnt der Unterricht schon relativ gleich, sodass es für mich Zeit wird, mich von meinen Freunden zu verabschieden. 

Alex und Markus sind zwar gemeinsam in einer Klasse, aber ich bin in einer anderen. Trotzdem kenne ich auch die Leute aus meiner Klasse nur zu Genüge. 

 

Zum einen wären da Noel und Marcus, die ich von allen in der Klasse am längsten kenne. Ja, ich weiß, ein weiterer Markus... Aber dieser wird mit c geschrieben, statt mit k. 

Noel gehört zu der Art von Menschen, die immer das Beste aus jeder Situation machen wollen. Er scheint die Dinge immer richtig einschätzen zu können und daher versuche ich stets auf seinen Rat zu vertrauen. 

Marcus hingegen kann vieles einfach richtig gut. Es gibt nur weniges, was ihn wirklich bei den Zügeln zieht. Ein wahres Multi-Talent, wenn man so will... Sobald es hart auf hart kommt, weiß ich, dass auf ihn Verlass ist. 

 

Und dann wären da natürlich noch deren Freunde Noah und Jakob. 

Noah ist der größte Schönredner, den man sich nur überhaupt vorstellen kann. Sollte man von irgendetwas nicht wirklich angetan sein, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass Noah einen doch dazu rumkriegt. Wie er diese Überzeugungsversuche jedoch angeht, ist nicht jedermanns Suppe4. 

Jakob kennt sich gut mit aller samt technischen Gerätschaften aus. Und dies kratzt grade mal die Spitze des Eisberges. Was dieser Typ mit ein bisschen Metall und Zugang zum Internet anstellen kann, stößt manchmal wirklich an der menschlichen Vorstellungskraft. 

Diese Liste könnte noch eine Weile so weitergehen, jedoch soll das für den Anfang reichen. Merk dir einfach, dass meine Klasse praktisch nur aus individuellen Individuen besteht. 

 

1. Unterrichtsstunde: Englisch 

Englisch, Erbsen und ich werden wahrscheinlich nie wirkliche Freunde. Vielleicht liegt das daran, dass mich beides immer zum Erbrechen bringt. 

Ich weiß das hört sich komisch an, aber für mich klingt das so geläufige ‘Native English’5 nicht arg anders als das Quaken eines Frosches. Und auch wenn jenes ja ab und zu mal ganz erheiternd sein kann, auf Dauer wünscht man sich dennoch, dass einem endlich bald die Ohren abfallen würden. 

Doch das Schlimmste ist immer noch das Sprechen. Sobald ich mich selbst an der Sprache versuche, hört es sich nicht nur nach den Sümpfen Floridas6 an... Igitt! Es fühlt sich auch so an... 

 

Nein, kein Scherz... Es fühlt sich wirklich so an, als würde ein ganzer Teich voller Frösche in meinem Halse stecken. Und ich denke, ich muss nicht erwähnen, was für ein unbeschreiblich widerwärtiges und unangenehmes Gefühl das ist. 

Allgemein war Sprechen noch nie wirklich einer meiner Stärken gewesen. Und dann wird von mir erwartet, dass ich das in einer mir fremden Sprache tue? Danke, aber ich verzichte bei ganzem Leibe. 

 

2. Unterrichtsstunde: Sport 

Ja, wer hätte es geahnt... Auch in Sport bin ich eine Niete. Mein viel zu mickriger Bau und fehlende Muskelspannung sorgen dafür, dass ich in keiner Sportart irgendwas zu reißen habe. Dazu kommt, dass ich auch keinerlei besondere Talente aufweisen kann, die mich irgendwie aus der Masse hervorheben würden. Ein richtiger Lauch7, also... 

Selbst wenn es nicht auf Kraft und Geschwindigkeit ankommt, bin ich meist schlechter als der Durchschnitt. Man könnte das natürlich auf mein Desinteresse, etwas an meiner Figur zu ändern, schieben. Aber persönlich sehe ich das nicht so ernst. 

 

3. Unterrichtsstunde: Musik 

Obwohl Musik zu verstehen, mir schon immer einfach fiel, fehlt mir hier wieder das Talent. Trotzdem lässt mich die mangelnde Begabung nicht entmutigen, diese zu genießen. Ich spiele hin und wieder das Saxophon und höre einiges an verschiedenen Genres.  

Ganz egal, ob ein Stück klassisch oder modern, neu oder alt ist... Solange es mich in irgendeiner Weise anspricht, hat es seine Aufgabe erfüllt. So ist zumindest meine Philosophie, wenn es um Musik geht. 

 

Und so sah für mich eigentlich ein typischer Schultag aus. Wie einem durchaus aufgefallen sein mag, bin ich nicht gerade der außerordentlich fleißigste Mensch auf Erden. Das spiegelte sich auch in meinen Noten wider, sodass ich ein Schüler war, der schließlich meines Erachtens nicht weiterhin auffiel, bis zu dem Tag, an dem sich alles ändern musste.

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